Im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung Thema „Euthanasie – Die Morde an Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen in Hamburg im Nationalsozialismus“ im Hamburger Rathaus traf Frau Jäck auf Petra Röder, die Nichte eines Opfers der Verbrechen der Nationalsozialisten. Die Tante von Petra Röder war Dorothea Kasten, deren Lebenslauf auch für die Ausstellung aufbereitet wurde.

 

Dorothea Kasten wurde am 6. März 1907 in Hamburg geboren. Wegen ihrer geistigen Behinderung war sie in den Alsterdorfer Anstalten untergebracht, wo sie sich zuhause fühlte. Trotz ihrer geistigen Behinderung konnte sie kleine Arbeiten verrichten, z. B. half sie den Schwestern, das Frühstück zuzubereiten. Sie spielte sogar Harmonium, aber sie konnte nicht selbstständig leben. Ihre Mutter besuchte sie häufig.

 

Am 16. August 1943 wurde Dorothea Kasten zusammen mit 227 anderen Frauen und Mädchen direkt aus den Alsterdorfer Anstalten in die Heilanstalt Steinhof/Wien verlegt. Die Heilanstalt Steinhof diente der „stillen Euthanasie“, nachdem die erste Phase der „Euthanasie“ 1941 wegen öffentlicher Proteste beendet worden war. Ihr wurden nicht zwangsläufig alle Angekommenen unterworfen; die Arbeitsfähigen blieben am Leben.

 

Im Mai 1944 fuhr Dorothea Kastens Mutter nach Wien, um ihre Tochter zu besuchen. Sie fand sie in einem erbarmungswürdigen Zustand vor. Von 49 kg Körpergewicht bei ihrer Abreise war sie auf 33 kg abgemagert. Dorothea Kasten wollte, dass ihre Mutter sie mit zurück nach Hamburg nähme. „Doch meine Mutter kam mit ihrem Wunsch nicht durch bei den Amtsärzten. Sie erklärten ihr, dass meine Schwester an einer Darmfistel leide und schlugen ihr vor sie einzuschläfern. Nach harten Kampf hat meine Mutter eingewilligt, ihr Kind in die geistige Welt zurückzuschicken.

 

Meine Mutter kaufte für alle Kuchenmarken Süßigkeiten und Kuchen. Sie tranken zusammen Kaffee um 14.00 Uhr. Diesen Zeitpunkt hatten die Ärzte angegeben. Wahrscheinlich hatte meine Schwester schon vorher eine Spritze bekommen, denn nachdem sie mit Freude und Vergnügen ihren Kuchen aufgegessen hatte, meinte sie ‚Jetzt bin ich müde und will schlafen, vergiss nicht, mich mitzunehmen’.“ (zitiert aus einem Brief der Schwester von Dorothea Kasten vom 28.2. 1985). Frau Kasten konnte ihre Tochter im Sarg mit nach Hamburg nehmen und beerdigen.

 

Der Name der Straße, die zum Haupteingang der Alsterdorfer Anstalten führt, hält die Erinnerung an Dorothea Kasten fest.


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