Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und die Kultusministerinnen und -minister der 16 Bundesländer wollen ab dem Schuljahr 2024/25 Kinder aus bildungsfernen Familien und Schulen in sozial schwieriger Lage gezielt mit jährlich rund zwei Milliarden Euro fördern. Die Beteiligten verständigten sich jetzt auf die entscheidenden Eckpunkte für das neue „Startchancenprogramm“. Demnach stellt der Bund den Ländern ab Sommer 2024 zehn Jahre lang jährlich zusätzlich eine Milliarde Euro zur Verfügung, die Länder ergänzen die Bundesförderung mit bestehenden oder zusätzlichen Mitteln in gleichem Umfang. Rund zehn Prozent aller Schulen und Schülerinnen und Schüler sollen im Rahmen des Startchancenprogramms erhebliche Unterstützung durch bessere schulische Sozialarbeit, zusätzliche pädagogische Fördermaßnahmen und eine bessere Ausstattung der Schulen sowie beim Schulbau bekommen. Mit dem neuen Programm begegnen Bund und Länder den sinkenden schulischen Leistungen vieler Schülerinnen und Schüler. Hamburgs Schulsenator und Koordinator der SPD-geführten Kultusministerien Ties Rabe: „Ich freue mich sehr über das Verhandlungsergebnis.“

Schulsenator Ties Rabe: „Erstmals sollen im Rahmen eines Bund-Länder-Programms Kinder aus bildungsfernen Familien ganz gezielt gefördert werden. Das ist richtig und wichtig. Denn deren Zahl ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen, entsprechend niederschmetternd waren die Ergebnisse der letzten Lernstandserhebungen in den meisten Bundesländern. Hier setzt das Programm gezielt an und ergänzt die großen Anstrengungen vieler Bundesländer. Das Startchancenprogramm ist ein wichtiger Schritt, weil es erstmals schulische Fördermaßnahmen auf sozial benachteiligte Kinder konzentriert. Das macht Mut für eine gelingende Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Es darf aber keinesfalls dazu führen, dass der Bund im Gegenzug andere Programme im Schulbereich wie zum Beispiel den Digitalpakt kürzt. Länder und Kommunen finanzieren mehr als 95 Prozent des Schulsystems, deshalb muss der Bund seine Zusagen für seinen ohnehin sehr kleinen Anteil einhalten.“

Seit den Sommerferien hatte eine Arbeitsgruppe mit den Staatssekretärinnen und Staatssekretären der Bundesländer Hamburg, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westphalen sowie des Bundesbildungsministeriums in intensiven Verhandlungen die entscheidenden Eckpunkte für das neue Programm erarbeitet. In den nächsten Wochen sollen die letzten Details geklärt werden und dann im Rahmen einer so genannten Verwaltungsvereinbarung vom Bundesbildungsministerium sowie den 16 Bundesländern verabschiedet werden. Die Länder sollen durch dieses Verfahren mindestens ein halbes Jahr Vorbereitungszeit zur Umsetzung des neuen Programms bekommen.

Das Programm startet zum 1. August 2024 und läuft über zehn Jahre. Nach fünf Jahren prüfen Bund und Länder die bis dahin geleistete Arbeit. Aufgrund der unterschiedlichen sozialen Lage der Familien in den Bundesländern richtet sich die Höhe der Fördermittel pro Land abweichend von den üblichen Programmen nach sozialen Rahmenbedingungen wie der Zahl der Kinder und Jugendlichen aus armutsgefährdeten Familien und Familien mit Migrationshintergrund sowie in geringerem Umfang nach dem Brutto-Inlandsprodukt der Länder. Entsprechend verteilen die Länder die Fördermittel innerhalb des jeweiligen Landes nicht mit der Gießkanne, sondern gezielt auf Schulen und Schülerinnen und Schüler in sozial schwieriger Lage, das sind etwa zehn Prozent der rund 40.000 allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen bzw. zehn Prozent der rund elf Millionen Schülerinnen und Schüler.

40 Prozent der Fördermittel sollen für den Schulbau und eine bessere Ausstattung der Schulen eingesetzt werden. 30 Prozent fließen in die schulische Sozialarbeit. Damit ist es rechnerisch möglich, jeder Schule in sozial schwieriger Lage eine volle Stelle für schulische Sozialarbeit zuzuweisen. Weitere 30 Prozent der Mittel fließen in verbesserte pädagogische Angebote, beispielsweise zusätzliche, gezielte Lernförderung in den Kernfächern Deutsch und Mathematik. Weil insbesondere in den ersten Schuljahren die entscheidenden Weichen für den Bildungserfolg gestellt werden, sollen 60 Prozent aller Mittel den Grundschulen und 40 Prozent den weiterführenden und berufsbildenden Schulen zur Verfügung gestellt werden.

Schulsenator Ties Rabe: „Mit dem Programm können wir Hamburgs Schulen in sozial schwieriger Lage jedes Jahr mit zusätzlich 20 Millionen Euro fördern. Wir gehen derzeit davon aus, dass rund 80 Hamburger Schulen von dem Programm profitieren werden. Mit den zusätzlichen Investitionsmitteln können wir zum Beispiel den Neubau und die Sanierung von Schulgebäuden, die Möblierung und Ausstattung der Unterrichtsräume sowie die Aufenthaltsqualität in der Schule und auf dem Schulgelände verbessern. Darüber hinaus können wir die schulische Sozialarbeit erheblich verstärken und so die sozialen Probleme und Nöte der Kinder und Jugendlichen verringern sowie ihre Motivation verbessern. Besondere Hoffnung setze ich auf die zusätzlichen Mittel für gezielte pädagogische Maßnahmen. Bereits mit den Hamburger Corona-Aufholprogrammen wie beispielsweise den Lernferien oder zusätzlichen Förderangeboten am Nachmittag haben wir in Hamburg gute Erfahrungen gemacht. Hamburg hat schon jetzt eine seit Jahren bewährte Förderstruktur an den Schulen, so dass wir es leicht haben, die zusätzlichen Mittel einzusetzen.“

Schulsenator Rabe weiter: „Das Bundesprogramm erweitert die seit Jahren in Hamburg etablierte umfangreiche Förderung für benachteiligte Schülerinnen und Schüler. Dazu zählen beispielsweise die Sprachprüfung und die ergänzende Sprachförderung für Kinder ab der Vorschule, kostenlose Lernförderung am Nachmittag für alle Kinder und Jugendlichen, kleinere Klassen in den Grundschulen in sozial benachteiligten Stadtteilen, kleinere Klassen an Stadtteilschulen sowie eine umfangreiche Förderung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Insgesamt wendet Hamburg für die Förderung von benachteiligten Schülerinnen und Schülern rund fünf Mal so viele Mittel auf wie das neue Bundesprogramm umfasst.“

Das Startchancenprogramm ist Teil des 2020 beschlossenen Koalitionsvertrages. Es soll dazu beitragen, die seit Jahren zurückgehenden schulischen Leistungen der Schülerinnen und Schüler wieder zu verbessern. Zuletzt hatten Lernstandsuntersuchungen wie der nationale „IQB-Bildungstrend“ sowie die internationale „IGLU-Studie“ nachgewiesen, dass in Deutschland wie in den meisten anderen westeuropäischen Ländern die Leistungen der Grundschülerinnen und Grundschüler in den Basiskompetenzen wie zum Beispiel im Lesen deutlich zurückgehen. Zurückgeführt wird dieser Trend auf die erheblich wachsende Zahl von Kindern aus bildungsfernen Familien, die von ihren Familien nur wenig Rückenwind für einen besseren Lernerfolg und eine gelingende Schulzeit bekommen.